

Unruhe in der Wirtschaft wegen Merz' Wahlpleite im Bundestag
Die politische Unsicherheit durch das Scheitern von Friedrich Merz (CDU) im ersten Wahlgang zum Bundeskanzler beunruhigt die Wirtschaft. Branchenverbände warnten am Dienstag vor politischer Instabilität und riefen die Abgeordneten auf, Verantwortung zu übernehmen. Ökonomen befürchten wirtschaftliche Schäden durch eine anhaltende Hängepartie. An den Börsen ging es zunächst deutlich bergab, der Dax erholte sich später jedoch wieder größtenteils.
"Das unerwartete Scheitern erhöht den Druck auf die neue Bundesregierung immens", erklärte der Präsident des Mittelstandsverbunds ZGV, Eckhard Schwarzer. "Es gilt jetzt, die entstandene Unsicherheit schnellstmöglich zu bewältigen".
"Das Handwerk blickt mit großer Sorge auf den ausgebliebenen Start der rot-schwarzen Koalition", erklärte auch der Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH), Jörg Dittrich. Die Mitglieder von Unions- und SPD-Fraktion müssten nun ihre Verantwortung "ernst" nehmen. "Die Zeit des Taktierens muss vorbei sein."
Merz war am Vormittag überraschend bei der Kanzlerwahl im Bundestag gescheitert. Er erhielt bei der geheimen Abstimmung nur 310 Stimmen und damit sechs weniger als nötig. Union und SPD haben zusammen im Bundestag eigentlich 328 Abgeordnete. Noch nie scheiterte ein Kanzlerkandidat zuvor in einem ersten Wahlgang. Hoffnung machte ein später für den Nachmittag angesetzter zweiter Wahlgang.
"Dieser Denkzettel ist einfach nur bescheuert", wetterte Wolfgang Große Entrup vom Verband der Chemischen Industrie. "Da haben einige die politischen Auswirkungen nicht im Ansatz verstanden." Carsten Brzeski, Analyst bei der ING-Bank, vermutete, dass einige Unions-Abgeordnete Merz seine Kehrtwende bei der Schuldenbremse übel nähmen und in der SPD mancher Abgeordnete mit der Besetzung der Ministerposten nicht einverstanden sei.
Die gescheiterte Wahl sei jedenfalls ein "Desaster" und einmalig in der Geschichte der Bundesrepublik, fügte Brzeski hinzu. Der Bundesvorsitzende des Jugendverandes der Familienunternehmer, Thomas Hoppe, sprach von einem "fatalen Signal". Der Präsident des Digitalverbands Bitkom, Ralf Wintergerst, sprach von einem "Tiefpunkt in der Geschichte des Bundestags" und einem "massiven" Schaden für das Land.
Der Präsident des Deutsche Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin), Marcel Fratzscher, kritisierte Kanzlerkandidat Merz und den Koalitionsvertrag scharf. "Der Koalitionsvertrag wird von vielen Abgeordneten abgelehnt, enthält kaum verbindliche Vereinbarungen und bleibt bei zentralen Themen wie Steuer-, Renten- und Migrationspolitik vage", sagte er der "Rheinischen Post". "Union und SPD brauchen mehr Mut zu echten Reformen. Der aktuelle Koalitionsvertrag bietet keine tragfähige Grundlage für die kommenden Jahre."
Auch an der Börse machte sich die politische Unruhe bemerkbar. Der Deutsche Aktienindex (Dax) sackte nach der Bekanntgabe des Abstimmungsergebnisses im Bundestags zunächst spürbar ab. Später hollte er die Verluste von zeitweise mehr als 300 Punkten jedoch wieder weitgehend auf.
R.Hofmann--BP